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Silbenschrift und Alphabetschriften im archaischen und klassischen Zypern – Ausdruck verschiedener Identitäten?

Auf der Insel Zypern lebten in archaischer und klassischer Zeit neben Griechen auch Phönizier und wahrscheinlich eine autochthone Bevölkerung, die in der Forschung als „Eteokyprer“ bezeichnet wird. Somit sind auf Zypern für diese Jahrhunderte mindestens drei Sprachen – Griechisch, Phönizisch und ein oder gar zwei einheimische, „eteokyprische“ Idiome (die noch nicht verstanden werden) – bezeugt. Diese Sprachen wurden in mehreren Schriftsystemen geschrieben: Die Griechen, die auf der Insel seit dem 11. Jh. v. Chr. siedelten, hatten eine lokale Silbenschrift adaptiert, in der auch die Eteokyprer schrieben. Diese blieb bis zum Untergang der zyprischen Königtümer in den Diadochenkriegen am Ende des 4. Jh. v. Chr. das bevorzugte Medium; die griechische Alphabetschrift wurde daneben nur vereinzelt eingesetzt. Die Phönizier wiederum verwendeten ihre eigene phönizische Schrift.

Es stellt sich somit die Frage, inwieweit die Verwendung eines bestimmten Schriftsystems auch der Abgrenzung einer eigenen Identität diente: Weshalb hielten die Griechen auf Zypern an der Silbenschrift fest, statt das für ihre Sprache passendere Alphabet zu verwenden? Grenzten sie sich damit bewusst von den Griechen des Zentrallands ab? Gab es ethnische Bruchlinien auf der Insel, die sich unter anderem auch in den unterschiedlichen Schriftsystemen ausdrückten? Oder existierte eine gemeinsame zyprische Identität, die Griechen, Phönizier und Eteokyprer umfasste?

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