Nach der Eroberung Ägyptens durch Alexander den Großen trafen zunächst die makedonisch-griechischen und 300 Jahre später die römischen Herren über das Land auf eine uralte Kultur, die bereits auf über 3000 Jahre Schriftlichkeit zurückblicken konnte, sind doch die ersten hieroglyphischen Schriftzeichen bereits aus dem 4. Jahrtausend bekannt. Aus diesem Grund gab es hier schon eine ebenso alte epigraphische Tradition, die zudem noch von der griechischen und latenischen Welt sehr verschieden war. Das zeigen noch heute jedem Besucher des Landes die zahlreichen rituellen hieroglyphischen Texte und Ritualszenen an den Tempelwänden des Landes – so etwas gab es weder in Griechenland noch in Rom. Griechen und später Römer kamen folglich in ein Land, in dem sie epigraphische Textgattungen und sogar neue Arten von Textträgern kennenlernten, die durch eine lange Tradition legitimiert waren und bis ins 3./4. Jh. n. Chr. weiter genutzt wurden. Schon hieran zeigt sich, dass Griechen und später Römer an den vorhandenen epigraphischen Praktiken partizipierten, ihnen also ihr hohe soziale und religiöse Bedeutung beließen. Doch auch die unterworfenen Ägypter lernten neue epigraphische Gepflogenheiten und Textgattungen kennen, mit denen sie nun umgehen mussten, schließlich waren es die Traditionen der neuen Herren des Landes. So führte das enge Zusammenleben zwangsläufig zu Kontakten und Übernahmen der jeweils fremden epigraphischen Praktikten, nicht nur in der jeweils anderen Sprache, sondern auch in den jeweils anderen Textgattungen. Durchaus interessant ist es, wie und auf welche Weise Zuwanderer und Einheimische sich die fremden Schriftkulturen aneigneten. In dem Vortrag werden deshalb an ausgewählten Beispielen Kontaktphänomene der drei großen epigraphischen Schriftkulturen im griechisch-römischen Ägypten vorgestellt, um am Ende den Versuch einer Systematisierung der vorgefundenen Interferenzen zu unternehmen.